Der Staubsauger und der kleine Panda – 5 Erkenntnisse über Angst & Vertrauen

Es ist fast wie ein Ritual: Sobald der Staubsauger auch nur aus dem Schrank geholt wird, hält mein kleiner Panda den Atem an. Seine Augen weiten sich, sein Körper wird angespannt, und das vertraute Brummen sorgt für große Unsicherheit. In seinem Gesicht sehe ich Angst – aber auch Neugier. Ein echter Zwiespalt.
Dabei war es am Anfang gar nicht so dramatisch. Noch in den ersten Monaten hat das Stillen gereicht, um ihn zu beruhigen. Ich habe ihn einfach an meine Brust genommen, während der Staubsauger lief, und seine kleine Welt blieb sicher. Doch je älter er wurde, desto mehr entwickelte sich diese anfängliche Unsicherheit zu einer echten Panik. Heute reicht Stillen allein nicht mehr aus. Heute braucht er meinen Arm, meine Stimme, meinen Blick – meine ganze Aufmerksamkeit.
Der Staubsauger – ein Alltagsgerät wird zum Monster
Für viele ist der Staubsauger einfach nur ein praktisches Gerät, das dabei hilft, den Haushalt sauber zu halten. Doch für kleine Kinder – und besonders für meinen Sohn – ist er etwas ganz anderes: laut, unberechenbar und riesig. Kein Wunder, dass das Angst machen kann.
Er will ihn sehen, ja. Er schaut dem Staubsauger hinterher, beobachtet ihn ganz genau. Aber näherkommen? Niemals. Sobald ich einen Schritt auf das Gerät zu mache, zieht sich mein kleiner Panda enger an mich. Er braucht diesen Abstand – diesen sicheren Raum auf meinem Arm, von dem aus er die Situation überblicken kann, ohne sich ihr direkt aussetzen zu müssen.
Unser Umgang mit seiner Angst
Wir haben viel ausprobiert. Anfangs dachte ich, vielleicht hilft es, den Staubsauger „freundlicher“ wirken zu lassen. Vielleicht mit einem Namen, einem Gesicht, einem kleinen Rollenspiel? Aber mein Bauchgefühl sagte schnell: Das fühlt sich nicht richtig an. Ich möchte nicht seine Angst verniedlichen, sondern sie ernst nehmen. Und so haben wir beschlossen, dass der Staubsauger einfach der Staubsauger bleibt – ein Gerät, nicht mehr, nicht weniger.
Stattdessen versuchen wir, über Nähe und Vertrauen zu arbeiten. Wenn Papa den Staubsauger anschaltet, halte ich unseren kleinen Panda ganz fest im Arm. Ich laufe mit ihm durch die Wohnung, rede mit ihm, beantworte seine Blicke mit einem ruhigen Lächeln. Ich sage ihm nicht, dass er keine Angst haben muss – ich zeige ihm einfach, dass ich da bin. Dass wir das gemeinsam machen. Dass er sich sicher fühlen darf.
Gute und schlechte Tage
Es gibt Tage, da ist er mutiger. Da beobachtet er den Staubsauger fast neugierig. Er zeigt mit dem Finger darauf, verzieht keine Miene. Und es gibt andere Tage, an denen der kleinste Ton genügt, um Tränen auszulösen.
Ich habe gelernt, dass es nicht darum geht, diese Angst so schnell wie möglich „wegzubekommen“. Viel wichtiger ist es, sie zu begleiten. Ihm Raum zu geben, selbst zu entscheiden, wie nah er sich herantrauen will. Vertrauen kann nicht erzwungen werden – es wächst durch Wiederholung, durch Sicherheit, durch Geduld.
Warum wir keine Babysprache verwenden
Ein wichtiger Punkt dabei: Wir sprechen mit unserem kleinen Panda ganz normal. Keine Babysprache. Keine Verniedlichungen wie „Brummbrumm“ oder „Wauwau“. Auch nicht, wenn es um den Staubsauger geht. Ich sage ganz bewusst: „Der Staubsauger macht Lärm. Aber Papa passt auf. Wir sind hier.“
Warum? Weil ich überzeugt bin, dass Kinder Sprache unglaublich schnell und klar erfassen können – besonders, wenn wir sie ernst nehmen. Babysprache kann kurzfristig süß wirken, aber sie verwischt oft das, was Kinder eigentlich lernen sollen. Für mich ist es ein Zeichen von Respekt, in unserer normalen Sprache mit meinem Sohn zu sprechen. Er versteht mich besser, als viele denken würden. Und gerade in Momenten wie diesen, wenn er Angst hat, möchte ich, dass er meine Worte wirklich greifen kann.
Mehr dazu in diesem Beitrag: Babysprache? Nein, danke! Warum ich bewusst normal mit meinem Kind spreche
Sprache schafft Sicherheit
Ich erkläre ihm, was passiert: „Papa macht sauber. Der Staubsauger saugt den Dreck vom Boden weg. Ja, das ist laut, aber du bist sicher.“ Manchmal wiederhole ich es mehrfach. Seine Reaktion zeigt mir, dass er mich hört. Und langsam, Schritt für Schritt, vertraut er mir – auch wenn der Staubsauger weiter durch die Wohnung brummt.
Es ist eine leise Kommunikation zwischen uns. Sein Körper entspannt sich, sein Griff lockert sich. Und auch wenn er noch nicht loslassen will, merke ich, wie sich in ihm etwas verändert.
Tipps für andere Eltern
Vielleicht kennst du das auch: Dein Kind hat Angst vor einem Alltagsgeräusch – ob es nun der Staubsauger ist, der Fön oder die Kaffeemaschine. Ich habe ein paar Dinge gesammelt, die uns helfen und vielleicht auch dir weiterhelfen:
- Sprich in klarer Sprache: Verzichte auf Babysprache. Erkläre, was passiert, und nenne die Dinge beim Namen. Das gibt Orientierung.
- Sei präsent: Dein Kind braucht in diesem Moment deine Nähe. Keine Ablenkung, kein Druck – einfach dein Dasein.
- Vermeide Zwang: Es bringt nichts, das Kind zu zwingen, sich dem Staubsauger zu nähern. Vertrauen wächst mit der Zeit.
- Zeige keine eigene Unsicherheit: Kinder spüren sofort, wenn wir selbst genervt oder gestresst sind. Atme tief durch und bleib ruhig.
- Wiederholung schafft Sicherheit: Je öfter ihr das „Staubsauger-Ritual“ gemeinsam durchlebt, desto vertrauter wird es für dein Kind.
Ein Schritt nach dem anderen
Ich weiß nicht, wann der Tag kommt, an dem unser kleiner Panda den Staubsauger von ganz alleine anschaltet oder sogar damit spielt. Vielleicht dauert es noch Monate. Vielleicht auch nicht. Aber ich weiß, dass jeder einzelne Moment, in dem ich ihn ernst nehme, zählt.
Wir haben gelernt, den Staubsauger nicht als Problem zu sehen, sondern als Gelegenheit. Als Chance, Nähe zu zeigen. Sicherheit. Und Vertrauen aufzubauen.
Denn letztlich geht es nicht um den Staubsauger. Es geht darum, wie wir als Eltern mit den Ängsten unserer Kinder umgehen. Ob wir sie belächeln oder begleiten. Ob wir sie überfordern oder stärken.
Und wenn ich meinen kleinen Panda heute in den Arm nehme, während der Staubsauger durch unser Zuhause brummt, dann weiß ich: Wir sind auf dem richtigen Weg.
Hier im Hipp Elternforum lesen: https://www.hipp.de/forum/viewtopic.php?t=40581
